Hinweis: Alle Koordinaten fürs Navi sind „dezimale Werte“
in der Reihenfolge von N-Breitengrad und E-Längengrad wie sie von z.B.
Google Earth ausgegeben werden können und wie sie z.B. bei Garmin auch eingegeben werden
können.
Eine Fahrt mit dem Glacier Express war schon lange mein Wunsch, nach Ostern sollte er verwirklicht werden. Der Express durchfährt die grandiose Alpenwelt
von West nach Ost (Zermatt nach St. Moritz) oder umgekehrt. Ende April fanden wir als Termin ganz gut, im Tal schon Knospen und Blumen, die Berge noch mit Schnee.
Diese Tour gibt es als Paket von vielen Veranstaltern, aber wir sind nun mal Individualisten und können das alles selbst organisieren. Mit dem Wohnmobil
auf einen Campingplatz, am Matterhorn in Zermatt und Cervinia ein bisschen Skifahren und von Zermatt aus dann mit dem Glacier Express nach St. Moritz.
Dort würden wir dann übernachten
und am nächsten Tag die gleiche Strecke wieder zurück fahren. Sollte das Wetter schön bleiben, könnte man nochmals ein paar Skitage anhängen und die Skisaison
mit Abfahrten im Firnschnee ausklingen lassen.
Meine Frau übernahm die Suche und Abstimmung für einen Campingplatz.
Die Internetseite des Campingplatzes hatte auch einen Anreisevorschlag, was ja immer ganz hilfreich ist und zwar:
Stuttgart – Bodensee – Chur – Flims – Andermatt – Brig – Zermatt.
Diese Strecke schien in Ordnung zu sein, zumal Chur für einen Stuttgarter eigentlich noch
als Heimspiel gilt. Trotzdem gab ich das Ziel auch in meinen ADAC-Tourenplaner auf dem Notebook ein und war ganz überrascht, als mir vorgeschlagen wurde, über
Zürich – Luzern - Interlaken – Kantersteg Bahnverladung und Goppenstein nach Zermatt zu fahren. Erstens war ich gar nicht scharf drauf,
mit dem Womo auf einem Zug zu fahren, zweitens zögert man als Schwabe doch vor unnötigen Kosten und drittens
hatte ich mich schon auf die erste Ausfahrt mit dem Wohnmobil gefreut. Mein Motto lautet ja: „Der Weg ist das Ziel“ und den wollte ich mit dem Wohnmobil bewältigen.
Aber sicher ist sicher, lass mal die Routenplaner vom Internet an die Sache, wer weiß, was die in dem ADAC-Planer alles berechnen.
Der Planer aus dem Internet sagte auch „via Chur“, die Nachbarn sagten auch „via Chur“, also wurde das Navi mit Zermatt programmiert. Auch das Navi fand
sofort den Weg über Bodensee, Chur, Flims und Andermatt, also alles paletti.
Am 12.4. fuhren wir los, Die Strecke nach Chur fand unser Brummi im Schlaf, das Neue war die B19 nach
Flims in Richtung Andermatt. Auf der Strecke waren auch ein paar Hinweisschilder, Lukmanierpass offen, Oberalppass gesperrt und ab
Tschamut eine Höhenbegrenzung auf 3,90m.
Das war alles nicht für uns, das Navi war auf Zermatt programmiert und meine beste Ehefrau von allen hatte die Karte auf dem Schoß und sagte dauernd „wir sind richtig“.
Da konnte ich mich doch voll auf die Fahrfreude konzentrieren.
Mit meiner Freude war es allerdings rasch vorbei, am Ortsende von Tschamut war ein Schild „Durchfahrt verboten“ und ein Schild „Fußgänger erlaubt“.
Zwanzig Meter weiter war ein Schneewall von ca. 1m Höhe und das Ganze war ein definitiv gesperrter „Oberalbpass“, der noch seine
Wintersperre hatte.
Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch Luftlinie ca. 30Km von Zermatt entfernt.
Mit Hilfe der guten alten Straßenkarte (ich habe immer eine dabei) und der ADAC-Infoline fanden wir schnell heraus, dass auch die Ausweichpässe Furka, Grimsel etc.
noch Wintersperre hatten.
Der ADAC-Tourenplaner hatte dies berücksichtigt, die verdammten Navi und die Internet-Tourenplaner haben von „Wintersperren“ verschiedener Alpenpässe noch nie
was gehört
und ich habe geschlampert und allem vertraut, nur nicht dem Richtigen. Wenn wir nach Chur zurückfahren würden um auf die Route Interlaken, Kandersteg zu kommen
würde das einen Umweg von ca. 300Km bedeuten, denn wir waren im Osten und müssten dann von Westen anfahren.
Wie schon gesagt, mein Motto lautet „Der Weg ist das Ziel“ und unter einem solchen Motto gibt es immer einen Weg,
und die Papierkarte zeigte mir auch eine Lösung: Ca. 20Km zurückfahren und dann über den offenen
Lukmanierpass in Richtung Süden nach Bellinzona und dann nach
Locarno. Von dort gab es eine Landstraße durch die "Melezza-Schlucht" nach
Domodossola. Das liegt allerdings schon in Italien. Von Domodossola kann man dann über den
Simplon-Pass wieder in die Schweiz nach Brig und dann nach
Zermatt kommen. Die bange Frage meiner liebsten Ehefrau „und du glaubst, mit dem Wohnmobil schaffen wir diese Pässe und die Steigungen (17%) „
beantwortete ich in vollster
Überzeugung und voller Vertrauen auf unseren zwillingsbereiften Heckantrieb mit „ Ja, natürlich, wenn nicht wir, wer dann“.
Ein weiteres Lieblingsmotto von mir ist „No Risc, no Fun“.
Eine Fahrt über den Lukmanierpass (1972m) kann ich wirklich nur empfehlen. Eine gut ausgebaute Straße und eine ausnehmend reizvolle Landschaft.
Für Wohnwagengespanne ist der Pass allerdings tabu, die größte Steigung beträgt 12%.
Von Pollegio, dem Ende des Passes ging es dann über die Autobahn bis
Locarno. Ab dort geht es dann über Minusio in die Melezza-Schlucht. Die schmale Bergstraße windet sich hier auf
Pfeilern durch die Schlucht und gewährt einem oft tollen Ausblicke auf den Fluss und einen Stausee. Die größte Steigung beträgt allerdings 17%, die Straße ist
teilweise nur 2,60m breit. Man sieht hier pittoreske Bergdörfer in den Schluchten kleben und mitten in der Wildnis ist die Zollstation nach Italien.
In St. Maria Maggiore gibt es einen tollen Stellplatz in den Lärchenwäldern, weit weg von der Straße. Seine Koordinaten sind
N 46.13139°, E 8.45578°, Höhe 816m. Weiter geht es auf der SS 337 nach Domodossola und von dort aus auf der
A9 Richtung Norden zum Simplonpass. Kurz vor dem Pass quert man wieder die Grenze,
diesmal zurück in die Schweiz. Der Simplonpass (2005m) ist hervorragend ausgebaut und führt über eine tolle Alpenlandschaft nach Brig.
Sehenswert ist hier die Bahnhofsanlage für die Autoverladung aus den 20-iger Jahren.
In der Nähe waren wir gestern schon mal, aber jetzt sind wir auf der richtigen Seite und bis Zermatt, genau gesagt bis
Randa/Täsch zum Campingplatz ist es nur noch ein Katzensprung.
Der Campingplatz kurz vor Zermatt heißt
CP Randa, Attermenzen, ist ein ACSI-Platz, hat normale Ausstattung inklusive Restaurant und kostenpflichtiges WLAN.
Seine
Koordinaten sind N 46.08595°, E 7.78196°, Höhe 1414m. Auf dem Campingplatz ist hervorragender DVB-T Empfang, auch von
deutschsprachigen Sendern.
Zermatt ist eine autofreie Zone, die letzte Parkmöglichkeit ist in Täsch. Von dort aus kommt man entweder mit der Matterhornbahn oder dem Taxi weiter. Die
Transportpreise sind der Exklusivität angepasst, eine einfache Fahrt pro Person an den Ortsrand von Zermatt kostet zwischen 5€ (Zug) oder 6€ mit dem Sammeltaxi.
Auch vom Ortsrand von Zermatt zum Bahnhof oder zur Liftstation sollte man den Skibus (kostenfrei) oder ein Elektrotaxi (pro Fahrt und Person 5€) nehmen.
Zermatt ist eine Stadt voller Widersprüche, am Ortsrand hässliche Beton - und Schotterwerke und einen alten Ortskern mit typischen Walliser Gebirgshäusern,
der aber immer wieder mit funktionellen Betonbauten „aufgelockert“ wird. Genauso gemischt ist das Publikum, Zobel und Dufflecoat findet sich neben
vliesgekleideten Bergsteigern mit Klettergurt und der Rucksack mit Seil, Steigeisen und Eispickel wird neben Louis Vuitton Taschen in der Pferdekutsche verstaut.
Das Skigebiet am Matterhorn, mit Gornergrat, Plato Rosa und auf der italienischen Seite mit Cervinia ist mit meist blauen und roten Pisten sehr
familiengerecht, abseits und mit geländekundiger Begleitung bietet sich aber ein variantenreiches Skigebiet mit allen Schwierigkeiten.
Der
Glacier Express verbindet die Westschweiz mit dem östlichen Teil. Er ist Teil des schweizerischen Bahnnetzes
und fährt fahrplanmäßig das ganze
Jahr. Bei starkem Schneefall wird die Strecke vorher mit der Fräse freigemacht. Von Zermatt nach St. Moritz dauert die Fahrt ca. 6 Stunden und kostet hin und
zurück pro Person inklusive Platzreservierung ca.165 €.
Zuerst einmal ein paar geografische und technische Details: Die Bahn wurde 1889 eröffnet und
bis 1926 ausgebaut. 1930 nahm der heutige Glacier Express den Sommerbetrieb auf. Mit der Eröffnung des Furka-Basistunnels
1982 war erstmals ein ganzjähriger Betrieb möglich.
Die Route führt von Zermatt im Wallis über Brig, Andermatt, den Oberalppass (Wintersperre bis Mai für KFZ, haha), Disentis und die die Rheinschlucht
nach Chur
in Graubünden. Von dort geht es weiter über das berühmte 130 m lange und 65m hohe
Landwasser-Viadukt über die Albula-Linie nach St. Moritz im Engadin.
Die Strecke führt vorbei
an vielen landschaftlichen Highlights wie Oberalppass, Rheinschlucht, der Schluchten bei Preda und endet zum Schluss am Matterhorn.
Dabei werden 291 Brücken überquert und 91 Tunnels befahren. Bei Preda werden drei bahntechnische Meisterleistungen durchfahren, nämlich schlaufenförmige
Tunnels zur Bewältigung der Höhendifferenzen. Im Berg macht der Tunnel eine Schleife und der Glacier Express kommt ca. 100m über dem Tunneleingang wieder
ans Tageslicht. Das Ganze wird dann noch 2x wiederholt. Die ganze Fahrt dauert ca. 7h, für einen Eisenbahnfan ist die Fahrt ein absolutes Muss und
auch die Genießer von Natur und Landschaft kommen voll auf ihre Kosten.
Die Rheinschlucht
Als die Anfahrt nach Zermatt via Bodensee, Chur, Flims und Andermatt fehlschlug und wir
das Alpenrheintal dann mit dem Glacierexpress durchfuhren haben wir uns
entschlossen, die Ränder der Rheinschlucht im Sommer auch mit dem Wohnmobil zu
erkunden. Die Rheinquelle liegt am Thomasee, in der Nähe von Andermatt. Am
Oberalpsee in Andermatt gibt es einen Stellplatz und neun weitere liegen auf der
Route rheinabwärts bis nach Altstätten. Dazu kommen sechs Campingplätze, für
Übernachtungsmöglichkeiten ist also gesorgt. Vaduz, im Fürstentum
Liechtenstein ist eine Stadtbesichtigung wert und in Bad Ragaz befindet sich das
älteste Thermalhallenbad Europas. Chur ist die älteste Stadt in der Schweiz,
aber deren Skiline ist nicht so mein Ding, viel Schweizer Betongold ist da
verbaut. Falls Sie beim Lesen auf den Geschmack gekommen sind, es gibt noch ähnliche, aber erheblich kürzere, Strecken und zwar:
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Den
Bernina-Express
von Chur über St. Moritz nach Tirano in Italien
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Die
Arosa Linie, von Chur über das Langwieser Viadukt nach Arosa. Eine
Strecke für Endecker!
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Den
Mt. Blanc-Express
von Chamonix nach Martigny im Rhonetal
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Die
Montreux-Oberlandbahn vom Genfer See
nach Spiez am Thuner See und
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Die
Furka Bahn, ein dampflokbetriebener Zug von Realp über den Furka Pass
nach Ullrichs. Ein Schmankerl!
Am schönsten sind all diese Strecken im Frühjahr,
so April/Mai, wenn auf den Alpengigpfeln noch der Schnee liegt und in den Tälern
schon die ersten Blumen blühen.
Stand 6.6.2022
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